In meinem Webinar “Wenn aus ArztSein KrankSein wird” habt ihr ein paar Themenwünsche für weitere Beiträge geäußert. Dem möchte ich heute nachkommen mit meinen 5 Tipps für strukturiertes Arbeiten im Klinikalltag, denn dieses Thema hattet ihr euch unter anderem gewünscht.
Strukturiertes Arbeiten in der Klinik
Aus der Klinik
Mir selbst fällt es immer wieder auf, dass ich für alle möglichen Situationen in der Klinik meine Routinen habe. Eigentlich sind es eher Fahrpläne, die ich nach einem Schema abarbeite, sodass ich sicher nichts vergesse.
Ein Beispiel ist, dass ich, wenn ich auf der gynäkologischen Station bin, immer mittags eine Kurven- bzw. Labor- und Diagnostik-Visite bei meinen Patientinnen mache, damit ich keine Befunde verpasse.
Natürlich ist es prima, wenn ich Befunde schon bei der Visite morgens einsehe und die mit den Patientinnen direkt besprechen kann. Leider ist es häufig eher so, dass Blutwerte zur Visite noch ausstehen oder Blutkulturen etc. erst im Laufe des Tages im System freigegeben werden.
Deshalb schaue ich immer am frühen Mittag in alle Befunde rein, damit ich nichts vergesse und vor allem noch genug Zeit habe auf etwaige Probleme gut zu reagieren. Wenn ich zum Beispiel bei einer Auffälligkeit im Anschluss ein Konsil benötige, dann wäre es von Vorteil, wenn ich den Befund so einsehe, dass ich die KollegInnen auch frühzeitig am Tag anrufen und das Konsil ausstellen kann.
Tipp Nummer 1: Priorisiere!
Damit wäre ich auch schon bei meinem ersten und eigentlich auch wichtigsten Tipp für strukturiertes Arbeiten auf Station oder in der Ambulanz:
Arbeite deine ToDos immer so ab, dass du die Dinge, die eine Konsequenz mit sich bringen priorisierst. Das wären Untersuchungen, OA-Vorstellungen, Konsile, etc.
Das klingt so formuliert vielleicht erstmal ganz logisch und einfach, ist es im Klinikalltag aber sehr häufig gar nicht.
Denn meistens bringt uns irgendetwas raus. Das kann zum Beispiel ein Angehörigengespräch oder die Pflege mit einer Frage sein und schon haben wir die scheinbar weniger wichtige Anmeldung des Konsils – weil auf Papier oder am PC – auf später vertagt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Pflege, die in Person vor mir steht, dann wichtiger erscheint, als meine Konsilanforderung. Und schwupps, vergeht wieder wertvolle Zeit und die Anmeldung rutscht nach hinten.
Also Tipp Nummer 1 für mehr Struktur: Priorisiere deine Aufgaben nach Konsequenzen, die sich aus der Aufgabe ergeben könnten bzw. die die Aufgabe mit sich bringen könnte und halte dich daran!
Tipp Nummer 2: Ordnung ist das halbe Leben
Was mich direkt zu meinem zweiten Tipp bringt, den ich von Stephen Covey gelernt habe.
In seinem Buch “7 habits of highly effective people” beschreibt er eine Zeit-Managment-Matrix (oder auch das sogenannte Eisenhower-Prinzip), die aus einer Tabelle mit 4 Quadranten besteht:
- In Quadrant Nummer 1, links oben, fällt alles hinein, was dringlich und wichtig ist, wie zum Beispiel die postoperative Blutung einer Patientin.
- In Quadrant Nummer 2, rechts oben, gehört alles, was wichtig, aber nicht dringlich ist. Hier wäre ein Beispiel aus meinem Alltag die Gabe einer Chemotherapie auf Station.
- Zu Quadrant Nummer 3, links unten, zählt alles, was dringlich, aber nicht wichtig ist, wie zum Beispiel die Pflege mit einer telefonischen Frage nach dem, was ich in meiner Visite geschrieben habe, aber niemand lesen kann (Gut, vielleicht steht da ja wirklich was wichtiges in meiner Visite!).
- Und im letzten Quadrant, rechts unten, sammelt sich alles, was nicht dringlich und nicht bzw. weniger wichtig ist, wie beispielsweise QS (= Qualitätssicherung = Papierkram, der uns im Studium verschwiegen wurde 😉 ) arbeiten.
Und nach diesem Schema lässt sich alles, was dich auf Station beschäftigt einteilen. Da macht es tatsächlich Sinn sich zu Beginn des Tages, wenn die Aufgaben alle sortiert werden, einmal zu überlegen, was wirklich dringlich und wichtig ist. Manchmal vertut man schon viel Zeit mit Dingen, die in dem Moment nicht dringlich und/oder wichtig sind.
Im Übrigen: Aufgaben im zweiten Quadranten werden schnell übergangen, weil sie nicht dringlich, wohl aber wichtig sind. Entlassungsbriefe wären da so ein Klassiker; stets wichtig, aber lange nicht dringlich, bis irgendwann seeeehr dringlich.
Deshalb ist mein zweiter Tipp für strukturiertes Arbeiten: Ordne deine Aufgaben nach Dringlichkeit und Wichtigkeit, um effektiv mit deiner knappen Zeit zu arbeiten.
Tipp Nummer 3: Finde Struktur
Mein Tipp Nummer 3 für eine bessere Struktur in deinem Klinikalltag versteckt sich bereits in Tipp 2: wenn ich meinen Stations-Tag beginne, dann mache ich mir morgens immer eine Übersicht an allen ToDos.
Meistens schreibe ich dafür eine Übersicht mit all meinen Patientinnen und deren Diagnosen, Diagnostiken, Befunden etc., sodass ich immer einen Überblick habe. Zusätzlich nutze ich Farben, um wichtige Punkte zu markieren.
Für langfristige ToDos klebe ich auch gerne Post its auf meinen Zettel, die ich dann am nächsten Tag auf den nächsten neuen Zettel kleben kann.
Dadurch, dass ich nun jeden Tag diese Liste schreibe, habe ich stets alle Diagnosen parat.
Ich kenne auch Computerlisten zum Ausdrucken. Davon bin ich nicht unbedingt der größte Fan, weil so häufig Dinge vergessen werden, weil man nicht täglich alles so durchdenkt, wie wenn man jeden Tag die einzelne PatientIn mit allen relevanten Diagnosen, Laborwerten, Befunden und ToDos aufschreibt. Das ist zumindest meine Erfahrung – wir haben nämlich ein Worddokument mit einer Liste für die Geburtshilfe und da geht eher mal etwas verloren oder wird vergessen, weil es überlesen wird.
„A good system shortens the road to the goal.“
Wann schreibe ich nun diese Liste?
Das ist auch etwas, was mich noch effektiver macht: Ich schreibe diese Liste nach der Visite und nach meinen Entlassungen, wenn ich die Laborwerte und Befunde am frühen Mittag einsehe. So gehe ich alle Patientinnen noch einmal durch, bin direkt up to date und kann entsprechend reagieren. Sei es, dass ich eine OA-Vorstellung mache oder das besagte Konsil ausstelle – ich bin stets mit den aktuellen Informationen ausgestattet.
So, Tipp Nummer 3 ist: Schreibe täglich (am besten Mittags, wenn alle Befunde vorliegen) eine Liste mit deinen PatientInnen-bezogenen ToDos, gerne mit Farben und System für eine bessere Übersicht, damit sicher nichts vergessen wird.
Tipp Nummer 4: Nutze ein Kittelbuch!
Kommen wir zu meinem nächsten Tipp für eine optimale Struktur, der gerade für BerufsanfängerIn wichtig ist: Führe ein kleines Büchlein mit dir, in dem du alle wichtigen Dinge aufschreibst. Viele haben diese Bücher in ihrer Kitteltasche, die ultimativen Brains, die man hegt und pflegt. Für den Berufsstart und auch Start in einer neuen Abteilung ist es perfekt sich direkt zu Beginn so ein Büchlein zu zulegen und es mit Struktur einzurichten.
In meinem stehen ganz vorne alle wichtigen Notfall-Nummern. Danach kommen direkt alle weiteren Nummern, die ich häufig benutze. Und dann folgen schon fachliche Informationen, wie Antibiotikadosierungen, die ich immer wieder vergesse, oder SOPs (= Standard-operating Procedure) oder oder oder.
Dieses Büchlein ist meiner Meinung nach ein absolutes Muss!
Wie häufig habe ich es schon benutzt, wenn ich am Patientinnen-Bett stand und bspw. die Patientin Symptome einer Lungenembolie hatte. In solchen Fällen soll es zügig gehen, also schnell ins Buch geschaut und alle wichtigen Nummern angerufen, wie bspw. das CT. So komme ich stets ohne PC (Telefonliste im Intranet) aus und kann eigenständig von überall aus super schnell reagieren.
Tipp Nummer 4: Schreib dir alle wichtigen Nummern und Medikamente und sonstiges Wissen, dass du gerne griffbereit haben möchtest, in ein kleines Kittelbuch!
Tipp Nummer 5: Ziehe Grenzen
Und nun zu meinem letzten Tipp für strukturiertes Arbeiten in der Klinik. Dieser Ratschlag ist leider nicht der einfachste, denn hier geht es um Grenzen setzen. Lerne zu Dingen “Nein.” zu sagen.
Das können wir nämlich gar nicht gut und doch ist es enorm wichtig. Denn du hast bereits mit Tipp 1 und 2 deine Aufgaben herausgearbeitet und priorisiert. Und nun bist du drauf und dran alles abzuarbeiten und wirst aber vielleicht von etwas aus Quadrant 3 und/oder 4 der Zeit-Management-Matrix abgelenkt. Das kann ein Anruf von der Pflege, wie oben geschildert, sein, der vermeintlich dringlich erscheint, es aber gar nicht ist.
Wenn wir mit dringlichen und wichtigen Aufgaben beschäftigt sind, wie beispielsweise einer Geburt, dann ist es schon leicht zu sagen, dass man jetzt gerade wirklich nicht woanders verfügbar sein kann.
Wenn wir aber vielleicht diese wichtige Konsilanfrage in den PC stellen und den Kollegen anrufen wollen (= Quadrant 2) und in genau diesem Moment von etwas unterbrochen werden, dann ist es enorm wichtig “Nein.” sagen zu können.
Angenommen wir lassen den vermeintlich nicht so wichtigen PC mit der halb fertig geschriebenen Anfrage stehen, weil wir zu einem Angehörigen-Gespräch gerufen werden.
Dann kann es sein, dass wir das Konsil erst am nächsten Tag erhalten, weil der Konsilarzt erst nach unserem Angehörigen-Gespräch die Anforderung sieht und dann vielleicht schon Feierabend hat. Das ist mir alles bereits passiert.
Oder aber wir könnten zum Beispiel auf die Frage nach dem Angehörigen-Gespräch auch sagen: “Ich habe aktuell keine Zeit, weil ich mich noch um einen anderen Patienten kümmere. In 15 oder 30 Minuten kann ich ein Gespräch in Ruhe anbieten.”
Mein letzter Tipp Nummer 5 ist folglich: Lerne freundlich, aber bestimmt Grenzen zu setzen und deine Prioritäten auf diese Weise zu verfolgen, auch und gerade wenn sie für andere in dem Moment nicht logisch erscheinen!
Meine 5 Tipps für strukturiertes Arbeiten im Klinikalltag
Ich fasse nun nochmal die 5 Tipps für dich zusammen.
Nummer 1: Priorisiere deine Aufgaben nach den Konsequenzen, die folgen können
Nummer 2: Nutze das Eisenhower-Prinzip nach Dringlichkeit und Wichtigkeit zu ordnen
Nummer 3: Schreibe täglich eine strukturierte Liste deiner PatientInnen mit allen Aufgaben
Nummer 4: Nutze ein Kittelbuch
Nummer 5: Setze Grenzen
Vielleicht hast du ja auch noch Tipps aus deinem Alltag, die für dich super funktionieren? Ich würde mich sehr freuen, wenn du diese mit mir teilst. Du könntest dazu eine Nachricht an nicole@arztsein.com schicken oder du schreibst mir auf Instagram. Auch Feedback und sonstige Rückmeldungen zu meinen Beiträgen nehme ich immer gerne an.
Viel Erfolg beim Umsetzen dieser oder einzelner Tipps,
deine Nicole