Die Entscheidung für ein Studium ins Ausland zu gehen ist der erste große Lebensschritt für viele angehende Mediziner:innen, die den Ansprüchen des deutschen Bildungssystem für Medizin nicht entsprechen: fehlender Numerus Clausus oder mangelhafte TMS Ergebnisse hindern immer mehr junge talentierte und vor allem motivierte angehende Mediziner:innen eine Chance auf das Medizinstudium zu bekommen. Welche Alternativen bleiben?
Auch mir ging es ähnlich, ich habe immer geträumt, als Ärztin im Berufsleben zu starten, im Abitur alles versucht und trotzdem hat es nicht für die 1,0 gereicht. Ich habe 2017 den Schritt ins Ausland gewagt und habe 6 Jahre damit verbracht, auf Englisch zu studieren, in einem mir vorher unbekannten Land mit fremder Kultur und einem ungewissen Lebensweg.
Im Juni 2023 stand dann mein Abschluss im Ausland an – die Vorstellung, danach im Ausland zu arbeiten, war für mich zwar keine Abneigung, jedoch in Litauen nicht realistisch. Denn in Litauen ist das System ähnlich wie in den USA nach dem Grundstudium: für eine Fachrichtung gibt es ein Rangsystem und ein sehr großen Konkurrenzkampf: man bewirbt sich für mehrere Fachrichtungen nach Priorität und wird dann anhand seiner Noten die man in den verschiedenen Studienfächern erbracht hat und seiner Arbeit in der Forschung in einer Rangliste mit den Fachrichtungen gematched. Für viele meiner Freund:innen war nur die zweite oder dritte Facharztwahl möglich. Die, die in der Allgemeinmedizin anfangen wollten, haben einen Platz in der Gynäkologie bekommen oder die, die in die Neurologie wollten, haben einen Platz in der Psychiatrie bekommen. Deshalb war für mich klar: Ich möchte nach dem Studium meine Facharztausbildung in Deutschland beginnen. Beim Start in den Beruf als Ärztin nach einem Auslandsstudium – wie beim Start des Studiums – entstehen gewisse Zweifel, Fragen und Ängste. Diese möchte ich gerne mit euch teilen.
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Inhaltsverzeichnis
1. Anerkennung des Studiums
Wie wird mein im Ausland absolviertes Medizinstudium in Deutschland anerkannt? Werden alle meine Kurse und Credits anerkannt, oder muss ich zusätzliche Prüfungen oder Studienleistungen erbringen?
Diese Fragen und Zweifel haben sich durch das ganze Studium gezogen, gefühlt hatte jeder eine andere Meinung und Erfahrung von Kollegen gehört, die einem jedes Semester neu bewusst geworden sind. Eine Erleichterung gibt es: Die Anerkennung meines Studiums in Litauen ist EU-weit gegeben und ich musste weder einen Sprachtest noch eine Fachsprachprüfung oder eine Äquivalenzprüfung absolvieren. In den meisten EU-Ländern ist dies der Fall, jedoch sollte man das vor Studienbeginn im Ausland mit der jeweiligen Landesärztekammer oder Landesprüfungsamt klären. Mehr Informationen findest du zum Beispiel hier.
Für alle, die keine Schule in Deutschland (Abitur) besucht haben oder EU-Ausländer sind, die Deutsch als Fremdsprache lernen oder gelernt haben, gilt es eine Fachsprachprüfung zu absolvieren (B2), um in Deutschland arbeiten zu können.
2. Sprachliche Anforderungen
Gibt es spezielle Anforderungen bezüglich der Sprachkenntnisse und Fachsprache? Werde ich deutsche Begriffe kennen und diese meinen Patienten erklären können?
Da mein Studium komplett auf Englisch war, habe ich tatsächlich “nur” die englische Fachsprache gelernt und viele Krankheiten heißen im Englischen anders als im Deutschen, deshalb war das ein sehr großer Zweifel meinerseits! Die Erleichterung zeigte sich aber tatsächlich in einigen Famulaturen und im Praktischen Jahr, in denen ich viel mit deutschen Patienten:innen kommunizieren konnte und auch im klinischen Alltag viele neue Fachwörter gelernt habe. Oftmals gab es Situationen, in denen ich beispielsweise nicht wusste, was das deutsche Wort bedeutet und dann habe ich einfach nachgefragt. Ich wurde auch nie dafür verurteilt, sondern konnte auch immer meine Krankheiten oder Begrifflichkeiten auf Englisch sagen für meine ärztlichen Kolleg:innen.
3. Anpassung an das Gesundheitssystem/SOPs
Wie gut bin ich auf das deutsche Gesundheitssystem vorbereitet? Wie läuft das ab mit dem Personalmangel? Gibt es Unterschiede in der Praxis oder den Standards, die ich im Ausland gelernt habe, denen ich mich anpassen muss?
Wie in jeder Abteilung gibt es spezielle Programme und Abläufe, die wirklich individuell nach Haus, Standort und Präferenz anders aussehen. Orbis, das Computerprogramm, wird so gut wie in jeder Klinik verwendet, jedoch gibt es aber auch ein paar Programme, die beispielsweise nur in einer Fachabteilung genutzt werden. Diese müssen alle Berufsanfänger:innen neu lernen.
Auch hier gibt es teilweise Unterschiede, an die ich mich in meiner Klinik erstmal gewöhnen musste:
Wir haben in Litauen zum Beispiel Laborwerte in mmol/l angegeben – bei Blutzuckerwerten zum Beispiel. Die Umrechnung in mg/dl hat mich erstmal ein wenig Zeit gekostet, um es zu verstehen und zu sehen, was pathologisch ist und was noch in der Norm ist.
Und auch hier habe ich grundsätzlich nachgeguckt oder habe die Umrechnung erneut am Computer gemacht, um zu sehen, welcher Wert mmol/l in mg/dl entspricht.
Aber auch da kommt man rein.
Eine andere Sache war zum Beispiel, dass in Litauen grundsätzlich Blutabnahmen und Zugänge pflegerische Aufgaben sind und Ärzte damit nie zu tun haben. Wir haben eine einzige Stunde gehabt, in der wir das einmal an einem Modell gemacht haben – nie jedoch wirklich im klinischen Alltag dort gelernt. Deshalb habe ich alle Praktika in Deutschland gemacht und versucht, so viel Praxis wie möglich zu machen, um auf den deutschen Alltag vorbereitet zu sein. Das ist natürlich deutschlandweit auch anders geregelt – in der einen Klinik gibt es einen Blutabnahmedienst und in der anderen wird erwartet, dass man alle Blutabnahmen vor Dienstbeginn erledigt. Hier sollte man also intern schauen, was man von Klinik zu Klinik können sollte.
4. Berufliche Perspektiven
In Bezug auf berufliche Perspektiven und die Wahrnehmung meiner Ausbildung im Ausland durch deutsche Arbeitgeber und Krankenhäuser hatte ich vor meiner Rückkehr nach Deutschland viele Fragen und Bedenken. Ich fragte mich, ob es Einschränkungen oder Vorurteile gegenüber im Ausland ausgebildeten Ärzt:innen gibt und ob Bewerber:innen aus Deutschland bevorzugt werden. Doch die Realität hat meine Erwartungen übertroffen: Ärzt:innen werden überall gebraucht!
In meinem Team sind fast alle aus dem Ausland, und nur eine Person hat in Deutschland studiert. Diese Vielfalt an verschiedenen Kenntnissen aus anderen Gesundheitssystemen, die kulturelle Vielfalt und die zusätzlichen Sprachkenntnisse, die wir aus unserer ärztlichen Ausbildung mitbringen, bereichern nicht nur unser Team, sondern auch den Umgang mit unseren Patient:innen enorm. Ich habe festgestellt, dass meine Ausbildung im Ausland von deutschen Kolleg:innen und Vorgesetzten sehr positiv wahrgenommen wird.
Tatsächlich habe ich so gut wie nie negative Kommentare darüber gehört. Im Gegenteil, meine Ausbildung im Ausland eröffnet mir viele Chancen, insbesondere da ich auch auf Englisch und sogar Litauisch mit den Patienten kommunizieren kann.
Diese Erfahrung hat meine Sichtweise auf die Integration und den beruflichen Werdegang als Ärztin mit Diplom aus dem Ausland in Deutschland stark verändert. Ich sehe, wie wertvoll unsere unterschiedlichen Hintergründe und Fähigkeiten für das Gesundheitswesen und die Patientenversorgung sind.
5. Fortbildung und Weiterentwicklung
Ist mein Wissensstand dem des deutschen Systems gerecht?
Ich hatte große Sorgen, nicht die gleichen Voraussetzungen zu haben wie die Berufsanfänger:innen, die in Deutschland ihr Studium absolviert haben. Jedoch waren die Sorgen verfallen, als ich angefangen habe. Jeder hatte die gleichen Voraussetzungen und hat die gleiche Hilfe bekommen. Der ein oder andere hat vielleicht 1-2 Tage länger gebraucht, um mit den Standards zurechtzukommen, oder vielleicht musste ich 10-20 mehr Zugänge legen, bis bei mir die Sicherheit da war, die ein anderer nach der ersten Anästhesie-Famulatur hatte.
Trotz allem habe ich nie das Gefühl gehabt, ich wüsste weniger oder sei schlecht auf den Berufsstart vorbereitet. Ein Vorteil bei mir war sogar, dass Pädiatrie ein Leistungsschwerpunkt im Studium in Litauen ist – deshalb hatte ich auch ein großes Vorwissen, ohne mich speziell für meinen Berufsstart vorzubereiten.
„Wünsche dir nicht, dass es einfacher wäre. Wünsche dir, dass du besser darin wirst.“
6. Soziale Integration
Wie wird meine Integration in das deutsche medizinische und soziale Umfeld verlaufen? Gibt es Unterstützungsnetzwerke oder Organisationen, die mir bei meiner beruflichen und persönlichen Integration helfen können?
Auch wie der ärztliche Alltag in Deutschland aussieht mit Dienstbelastung und vielleicht Überstunden scheint anders geregelt zu sein als beispielsweise in Litauen. In Deutschland gibt es Organisationen und Plattformen, um sich auszutauschen, um Unterstützung bei der Jobwahl zu bekommen oder sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Zum Beispiel DieChirurginnen, Treatfair, Facebook Gruppen für ausländische Ärzt:innen, wie hier oder auch Mahdi von AiW mit seiner YouTube-Präsenz und seinen Inhalten können dir die Integration nach Deutschland erleichtern. Je nach Bundesland oder Kreis, in dem man praktiziert, gibt es auch selbst gegründete Organisationen. In meinem Landkreis gibt es neuerdings Ärztinnen-Stammtisch, bei dem sich vor allem ärztliche Kolleginnen über ihre Arbeit austauschen können und Verbes
7. Patientenakzeptanz
Werden Patienten Bedenken hinsichtlich der Qualität oder Kompetenz meiner medizinischen Kompetenz haben, weil ich im Ausland ausgebildet wurde?
Diese Frage habe ich mir während des Studiums viel zu oft gestellt und tatsächlich hatte sie sich nie bestätigt. Patienten finden überhaupt nicht heraus, wo du deine Ausbildung abgeschlossen hast, außer das kommt vielleicht in irgendeinem Gespräch heraus – zumindest war es in meinem Fall so. Ich kann natürlich nicht für Kolleg:innen sprechen, die mit Migrationshintergrund nach Deutschland kommen.
Ich hatte es schon erlebt, dass ich plötzlich auf litauisch gesprochen habe und mich Patienten dann fragten, woher ich litausich könne. So kann z.B. ein Gespräch entstehen, in der man allerdings nicht seine Ausbildung nennen muss, wenn man nicht möchte! Meine Ausbildung im Ausland kam jedoch immer gut an und Patienten waren sehr interessiert daran, wie ich dort hingekommen bin und auf welcher Sprache zum Beispiel unterrichtet worden ist.
8. Wissenschaftliche Untersuchungen zum Arbeiten in Deutschland nach Auslandsstudium
n einer Studie, die von Schumann et al. 2022 veröffentlicht wurde, geben 23 Ärzt:innen, die ihre Berufsqualifikation im Ausland erworben haben, Einblicke in ihre Erfahrungen mit der Integration in Deutschland. Für die meisten spielte der Erwerb der deutschen Sprache und das Verständnis von deutschen Bräuchen und deutschen Angewohnheiten eine große Rolle, um sich in der Gesellschaft akzeptiert zu fühlen. Ohne Sprachkenntnisse und dem fehlenden Verständnis der deutschen Kultur gab es für einige Probleme sich zu integrieren. Mir ging es damals in Litauen ähnlich – ohne das litauische Sprachverständnis habe ich mich einfach fremd und nicht verstanden gefühlt. Mit der Zeit kamen die ersten Sätze und auch sogar das Denken auf litausich – wie auch in der Studie berichten die Teilnehmer, dass die Akkulturation – also der Prozess in dem Individuen durch den direkten Kontakt mit kulturellen Merkmalen oder in einer neuen Gesellschaft diese Merkmale und Gruppe annehmen. So gab es auch für die Studienteilnehmer:innen eine positive Auswirkung auf ihr Wohlbefinden, je länger sie bereits in Deutschland lebten und arbeiteten.
Die meisten Teilnehmer:innen lernten vor allem im Beruf als Arzt oder Ärztin durch direktes Beobachten ihrer deutschen Kolleg:innen, wie sie sich in bestimmten Situationen und zum Beispiel Patientengesprächen zeigen und kommunizieren, um ihren Integrationsprozess zu verbessern mit z.B. neuen Wörtern die sie gelernt hatten oder auch Gesten, die deutsche Kolleg:innen verwendeten. Oftmals haben die Teilnehmer:innen auch Herausforderungen im Alltag erlebt, wie beispielsweise eine Patientin, die sich nicht von einer Ärztin mit Kopftuch behandeln lassen wollte oder aber auch indem Patienten nett sein wollten und einer Teilnehmerin einen Wein schenken wollte, den sie aufgrund ihrer Religion nicht trinken kann. Diese Herausforderungen gibt es beim Aufeinandertreffen zweier sehr unterschiedlicher Kulturen und trotz dem haben die Studienteilnehmer diese Erfahrungen mit einem positiven Outcome gesehen und haben die Rechte, die es in in Deutschland gibt geschätzt.
Die meisten Teilnehmer:innen berichten, dass sich die Jobsuche als Arzt oder Ärztin in Deutschland sehr einfach und schnell erwies und alle Studienteilnehmer:innen in relativ schneller Zeit eine geeignete Stelle gefunden haben. Trotz dem haben viele aus dem Ausland stammende ärztliche Kolleg:innen das Bedürfnis, sich beweisen zu müssen und haben das Gefühl, dass ihre Qualifikationen als nicht gleichwertig angesehen werden. Auch ich kenne dieses Gefühl, das ich anfangs verspürt habe, jedoch hat sich das ganz schnell gelegt, nachdem ich gesehen habe wie meine Kolleg:innen arbeiten, die in Deutschland studiert haben. Ich habe aber auch schon öfters gehört und auch gesehen, dass vor allem aus dem Ausland stammende Ärzt:innen oft nicht denken, dass ihre Qualifaktion nicht gleichwertig ist – obwohl es an ihrer Arbeit nichts auszusetzen gibt.
Die Akzeptanz von Bräuchen und Traditionen sowie die Interaktionen mit Patient:innen sind sowohl von positiven als auch negativen Erfahrungen geprägt. Einige bauen erfolgreich Beziehungen zu deutschen Freunden auf, während andere sich eher in homogenen Kreisen mit Menschen aus dem gleichen Herkunftsland
bewegen und somit eine Nähe zu Menschen suchen, die zum Beispiel die selbe Muttersprache sprechen oder die gleichen Interessen haben.
Die Identitätssuche der Ärzt: innen zeigt eine Bandbreite von Wahrnehmungen. Einige fühlen sich fest mit deutschen Werten und der Kultur verbunden, während andere das Gefühl des Fremdseins nicht überwinden können und Schwierigkeiten mit dem Verlust ihrer eigenen kulturellen Identität haben. Auch wenn die Studie nur wenig Teilnehmer:innen hat, fande ich es sehr wertvoll, wie unterschiedlich sich die einzelnen Individuen integriert haben und welche Bedeutung die einzelnen Bereiche haben. Während der eine mehr Schwierigkeiten hat, konnte der andere sich voll und ganz auf seine neue Heimat einlassen. So ähnlich war es bei meinem Auslandsstudium auch – ich hätte mir ein Leben in Litauen sehr gut vorstellen können, habe einige litauische Freunde kennengelernt, die ich bis heute noch regelmäßig treffe und auch die Sprache übe ich bis heute noch. Andere dagegen haben von nichts anderem als den Wechsel zurück nach Deutschland sprechen können, konnten den Alltag nicht akzeptieren und hatten kein Interesse daran, sich zu integrieren oder die Sprache zu lernen. Oftmals ist Integration ein Prozess, in dem Sprache, Bildung, Werte und Identifikation von großer Bedeutung sind. Wenn man dies nicht akzeptiert, kann man überhaupt nicht glücklich werden, weil man immer in seiner Bubble lebt und sich vorstellt, woanders zu sein, als man gerade ist.
Kollegen von Can et al. führten 2022 eine Umfrage unter 251 Ärzt:innen mit Migrationshintergrund durch, die an der Charité in Berlin oder dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf angestellt waren. Die Mehrheit der Teilnehmer:innen empfand keine Diskriminierung im Kontakt mit jeweiligen Behörden. Etwa 12% der Befragten haben eine Führungsposition und die Mehrheit ist mit ihrer derzeitigen Position zufrieden. Nur circa 10% waren an der Charité und 6,4% am UKE unzufrieden in ihrem Arbeitsumfeld, Gründe dafür wurden jedoch nicht genannt. Das Ergebnis hat mich wirklich überrascht, denn wenn ich im Alltag in Kontakt mit ärztlichen Kolleg:innen deutschlandweit austausche, könnte man ein Lied von Unzufriedenheit singen. Vielleicht könnte einer der Gründe sein, dass viele dieser Teilnehmer:innen ihr Land verlassen haben, um in Deutschland arbeiten zu können und die Arbeitsbedingungen in Deutschland für die Teilnehmer:innen viel besser sind, als beispielsweise in ihrem Herkunftsland und wir Deutschen sozusagen kein “schlechteren” Vergleich haben.
Ein Großteil berichtet, dass sie sich von Kolleg:innen respektiert fühlen. Aber trotzdem hat sich jeder 10. schon einmal in den letzten 6 Monaten durch Vorgesetze diskriminiert gefühlt und knapp 30% gaben an, dass sie Diskriminierung von Kolleg:innen erlebten. Die Gründe für die Diskriminierung waren Sprache, Nationalität/Ethnizität, Religion und soziale Klasse.
Und Achtung: 18-25% der Diskriminierungserfahrungen waren auf Patient:innen zurückzuführen, hauptsächlich wegen Ethnizität, Nationalität, physischem Erscheinungsbild, Sprache, Name, Religion und Geschlecht.
Wie in der Studie von Schumann et al. haben viele ausländische Kolleg:innen das Gefühl, sich gegenüber ihren deutschen Kolleg:innen beweisen zu müssen. Die meisten Studienteilnehmer:innen gaben an, dass sie die gleichen Rechte und eine Gleichbehandlung mit ihren deutschen Kolleg:innen hinsichtlich der Verträge, Arbeitszeiten, Bezahlung und der Möglichkeit, ihre Meinungen zu äußern haben. Jedoch gaben 38,8% (Charité) bzw. 33% (UKE) der Befragten an, ungleiche Möglichkeiten für eine Weiterbildung und Beförderung zu haben. Dieses Ergebnis hätte ich nicht erwartet, weil ich dachte, dass gerade die Weiterbildungsmöglichkeiten für jeden innerhalb einer Abteilung oder eines Krankenhauses gleich sind. Ein Viertel der Teilnehmer beider Krankenhäuser fühlte sich in Bezug auf die Anerkennung ihrer Arbeitsleistung durch Vorgesetzte ungleich behandelt. Eine ähnliche Anzahl von Befragten am UK empfand eine ungleiche Behandlung in Bezug auf die Anerkennung ihrer Arbeitsleistung durch Kolleg:innen und Patient:innen sowie die Verteilung von Aufgaben innerhalb ihres Teams. Diese schockierende Anzahl zeigt, dass auch im medizinischen Bereich noch viel Umstrukturierung passieren muss und gerade auch Ärzt:innen in Führungspositionen noch viel lernen können.
Fazit
Nach fast 9 Monaten im Beruf vergesse ich oft, dass ich meine Ausbildung als Ärztin im Ausland gemacht habe und ich muss mich teilweise neu daran erinnern, dass ich auf englisch in einem anderen Gesundheitssystem studiert habe.
Mit Patienten:innen zu kommunizieren und täglich Medizin zu machen, lässt mich diesen Fakt vergessen und all meine Ängste, die ich vor dem Berufsstart hatte. Ich würde sagen, dass Deutschland ein sehr beliebtes Land ist, in dem viele EU-Ausländer und auch außer EU-Ausländer praktizieren wollen.
2023 arbeiteten so viele Ärzt:innen aus dem Ausland wie noch nie in Deutschland: Aktuell sind es fast 15% der Ärzt:innen, die aus dem Ausland kommen. Die zwei Studien zeigen, dass es trotz der großen Anzahl an ausländischen Ärzt:innen noch vieles zu verbessern gibt, nicht nur auf der großen deutschlandweiten Ebene sondern auch jedes noch so kleine Haus und jede:r einzelne, der mit uns Ärzt:innen zusammenarbeitet: der Weg nach Deutschland und in Deutschland mag für mich als Deutsche einfacher gewesen sein als für andere, jedoch denke ich dass wir alle ein Stück zur Verbesserung der Akzeptanz und der Integration leisten können.
Ich denke, mein Auslandsstudium hat mir Vorteile gebracht und mich nicht nur als Person, sondern auch als Ärztin weitergebracht und mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin! Wir können und sollten jeden schätzen, der sich entscheidet, in unserem so verbesserungswürdigen Gesundheitssystem zu arbeiten.
Für jeden, für den ein Wechsel vom Ausland nach Deutschland ansteht, kann ich nur ans Herz legen: Das wird gut! Für die wichtigsten Fragen könnt ihr einmal hier nachschauen.
Quellen:
In Deutschland arbeiten: Anerkennung der Approbation von Ärzten aus EU-Staaten.
FAQS – Ärztinnen und Ärzte mit ausländischer Qualifikation: Marburgerbund
Ergebnisse der Ärztestatistik zum 31.12.2023. Bundesärztekammer. (2024, April 19).
Hier geht es zum letzen Blogbeitrag von ArztSein zum Thema ➡️ Kommunikation mit schwierigen Vorgesetzten – Dr. Kerstin Brehm im Gespräch
Lieber für unterwegs zum anhören? Kein Problem – Hier geht es zur zugehörigen Podcastfolge von ArztSein zum Thema ➡️ Kommunikation mit schwierigen Vorgesetzten – Dr. Kerstin Brehm im Gespräch