Manchmal denke ich “So kann es einfach nicht weitergehen, ich muss etwas verändern.” Die Unzufriedenheit im Beruf sitzt tief und ich finde in solchen Situationen selten einen positiven Gedanken. Du hattest bestimmt auch schon einmal so eine Phase. Ich hatte sie zumindest. Und habe aus Unzufriedenheit gekündigt und die Klinik gewechselt. Dabei habe ich bei meiner Kündigung einen Fehler gemacht. Was ich daraus gelernt habe, erfährst du jetzt!
Was du heute von mir lernen kannst
- Weshalb Unzufriedenheit in mir aufkam
- Meine Lösung der Unzufriedenheit: die Kündigung
- Was ich dir über meinen Fehler bei meiner Kündigung unbedingt mitgeben möchte, sind folgende Gedanken und Tipps
- Nummer 1 – Rede mit deiner vorgesetzten Person
- Nummer 2 – Nur wenn Unzufriedenheit ausgesprochen wird, kann Verbesserung stattfinden
- Nummer 3 – Nutze auch andere Möglichkeiten zu Kommunizieren
- Gibt es wissenschaftliche Daten zur Frage: Sind wir zufriedener nach einem Jobwechsel?
- Was ich dir zusammenfassend zum Fehler meiner Kündigung mitgeben möchte
Weshalb Unzufriedenheit in mir aufkam
Die Geschichte hinter meiner Kündigung ist ganz einfach und kurz erzählt. Ich bin frisch von der Uni an meiner ersten Klinik gestartet. Ein großes Haus, eine große Abteilung mit vielen Geburten und Level-1-Versorgung. Einen Teil meines PJ hatte ich bereits in der Abteilung absolviert und ich habe da bereits die Assistentinnen im Kreißsaal weinen sehen und wusste um die Stimmung und vor allem auch um die Arbeitsdichte.
Ich dachte mir damals, dass ich erstmal beginnen würde. Ich könne dann ja immernoch wechseln und würde die Vorteile genießen, die auf der Hand liegen, wenn man das Haus im PJ schon kennen lernen konnte. Vor allem würde ich Geburtshilfe und Gynäkologie lernen.
1,5 Jahre später fand ich mich müde, erschöpft und demotiviert (und auch mit mehrfachen Tränen) in der Abteilung wider. Ich war seither im Kreißsaal eingeteilt gewesen, habe mich dort nach einer anfangs sehr steilen Lernkurve (über try and error) nicht mehr signifikant weiterentwickelt – zumindest in meinen Augen und ich wollte unbedingt in die Gynäkologie eingeteilt werden. Die Rotationen wurden nach Gusto in den geheimen Oberarzt-Sitzungen festgelegt. Und ich verblieb weiter im Kreißsaal bzw. auf der Anfänger-Wochenbettstation, obwohl neue Kolleginnen als Anfängerinnen zum Teil an mir vorbei direkt auf die anspruchsvollere Hochrisiko-und-Wochenbett-Privat-Station geschickt worden sind.
Das fühlte sich sehr ungerecht an. Ich hatte mich auf die Einhaltung der Reihenfolge verlassen.
Hinzu kam, dass die Dienste körperlich und inhaltlich sehr fordernd waren. Es gab viele Entbindungen – folglich auch eine hohe Morbidität. Viele spannende Fälle natürlich, an denen ich lernen konnte. Das fand ich zu Beginn super, ich habe gerne Dienste gemacht. Zum einen saß ich einen Tag weniger auf der Wochenbettstation und zum anderen lernte ich in den Diensten am schnellsten und am meisten.
Doch bei mind. sechs 24-Stunden-Diensten pro Monat mit hoher Arbeitsbelastung schwinden irgendwann die Kräfte. Ich war ständig müde, bin abends auf dem Sofa und zum Beispiel im Kino eingeschlafen. Ich habe sogar Verabredungen verschlafen, weil ich meinen Wecker nicht gehört hatte.
Meine innere Unzufriedenheit stieg. Ich wurde wütend bzw. bemerkte eine kleine Rebellin in mir. Ich wollte so nicht weiter machen. Mein damaliger Partner schimpfte mehrfach mit mir, weil ich unzuverlässig geworden sei durch die vielen Überstunden und eine Partnerschaft mit mir so schwierig sei.
Meine Lösung der Unzufriedenheit: die Kündigung
Zugleich wusste ich von einer lieben Freundin, die ebenfalls in der Gyn arbeitete, von einer anderen Klinik. Auch ein Level-1-Zentrum mit Gyn-Onko und vielen Betten. Das Beste: 16-Stunden-Dienste und Freizeitausgleich. Ich kannte viele der AssistentInnen bereits, da sie häufig zusammen abends ausgingen und ich über meine Freundin gelegentlich mitgenommen wurde. Es erschien mir wie der Himmel auf Erden als Assistentin!
Also habe ich in meiner Unzufriedenheit irgendwann die Entscheidung getroffen, dass ich etwas verändern musste. Ich schrieb eine Bewerbung, erhielt eine Zusage und kündigte.
(Fun fact: Die Bewerbung wurde eigentlich von zwei meiner längsten Schulfreundinnen am Morgen nach einem Coldplay-Konzert aufgesetzt, weil ich wegen des Dienstplans beinahe nicht zum Konzert gehen konnte und es nur in letzter Minute alles geklappt hatte. Zu dem Zeitpunkt kullerte ich noch müde zwischen Sofa, Bett und Kaffeemaschine hin und her und leistete irgendwann dann doch den beiden Gesellschaft.)
Soweit, so gut.
Was ich dir über meinen Fehler bei meiner Kündigung unbedingt mitgeben, möchte ich sind folgende Gedanken und Tipps
Als ich damals meinem wichtigsten Oberarzt von meiner Kündigung erzählen wollte, begann er das Gespräch mit “Bitte Frau Hänse, sagen sie mir, dass sie schwanger sind.” Ich habe ihm jedoch von meiner Kündigung und meinen Gründen berichtet.
Retrospektiv betrachtet habe ich in der damaligen Situation einen Fehler begangen, denn ich bin einen Schritt nicht gegangen, den ich aber unbedingt allen ans Herz legen möchte, die aus Unzufriedenheit kündigen wollen:
Rede mit deinem Chef oder zumindest mit deiner oberärztlichen Bezugsperson bevor du kündigst!
Mein Oberarzt war enttäuscht – darüber, dass ich gehen wollte und darüber, dass ich nicht zuvor mit ihm gesprochen habe. Er hätte mir helfen und mir noch so viel mehr beibringen wollen. Es sah Potential in mir und ich hatte alleine eine Entscheidung getroffen.
Dass ich mit ihm kein Gespräch gesucht hatte und ihm nicht von meinen Sorgen und Wünschen berichtet habe, das habe ich lange verdauen müssen. Es hätte meinen Weg sicherlich verändert. Vielleicht würde ich dann noch in meiner alten Klinik arbeiten, wer weiß?!
Ich bin über meine Entscheidung und alles, was damit kam, nicht traurig – im Gegenteil! Ich bin sehr, sehr dankbar, dass alles so gekommen ist, wie es nun ist. Es waren schwierige Phasen dabei, die mich weit über meine Grenzen gebracht haben, zuletzt im vergangenen Sommer. Aber diese Zeiten haben mich geformt, haben mich herausgefordert und mir neue Möglichkeiten aufgezeigt, für die ich zuvor keinen Horizont hatte.
Nummer 1 – Rede mit deiner vorgesetzten Person
Trotzdem habe ich aus der Enttäuschung meines ehemaligen Oberarztes heraus gelernt und mir Mitarbeitergespräche bei meinem jetzigen Chef in regelmäßigen Abständen eingefordert. Diese Gespräche sind nämlich keine Selbstverständlichkeit und im Klinikalltag auch häufig schwierig umzusetzen. Viele Gespräche wurden mehrfach verschoben, bis es wirklich zeitlich geklappt hat. Aber sie wurden geführt!
Und das ist das Wichtige. So konnte ich mit meinem Chef besprechen, was ich gut fand, wo ich mich entwickelt habe, wo ich mich in Zukunft sehe und ihm meine beruflichen Wünsche offen legen. Gleichzeitig konnte er mir Feedback geben und wir besprachen, wo es für mich als Nächstes hingehen sollte.
Tatsächlich lenkte ich so meine Unzufriedenheit in Zufriedenheit, indem zum Beispiel meine Rotation in die Gynäkologie und Onkologie oder mein Wunsch nach mehr Verantwortung im letzten Sommer umgesetzt wurden.
Nummer 2 – Nur wenn Unzufriedenheit ausgesprochen wird, kann Verbesserung stattfinden
Unsere Vorgesetzten können unsere Wünsche nicht hinter unserer Stirn erahnen oder von unseren stummen Lippen ablesen. Wir müssen dies aussprechen, ebenso Unzufriedenheit. Woher sollen ChefärztInnen wissen, was für uns nicht gut läuft, wenn es nicht geäußert wird?
Sollte nach einem Gespräch weiterhin keine Verbesserung der Arbeitssituation stattfinden, dann ist eine Kündigung immer noch möglich und wahrscheinlich auch sinnvoll.
Nummer 3 – Nutze auch andere Möglichkeiten zu Kommunizieren
Bis dahin gilt es alle Möglichkeiten auszuschöpfen – dazu kann unter Umständen auch das Gespräch mit einer vertrauten oberärztlichen Person reichen! Mir hat es diesen Sommer sehr, sehr gut getan offen und ehrlich mit einer meiner Oberärztinnen zu sprechen. Sie ist für mich eines meiner Rolemodels und erfüllt eine Vorbildfunktion für mich. Gleichzeitig hört sie so gut zu und ist eine tolle Lehrerin im und außerhalb des OPs. Ich durfte Vieles von ihr lernen – und das eben auch, weil ich gezielt danach gefragt habe, weil ich mit ihr gesprochen habe.
Gibt es wissenschaftliche Daten zur Frage: Sind wir zufriedener nach einem Jobwechsel?
Damit der Beitrag nun als Cherry-on-top noch eine wissenschaftliche Komponente erhält, möchte dir aktuelle Studienergebnisse nicht vorenthalten, die ich im Kontext eines Jobwechsels lesenswert fand:
In einer wissenschaftlichen Studie haben Sons & Niessen (2021) den Zusammenhang zwischen Jobwechsel und Wohlbefinden untersucht – mit Daten von ca. 4000 australischen ArbeitnehmerInnen aus verschiedenen Branchen über einen Zeitraum von zwölf Jahren.
Im Ergebnis führt ein Jobwechsel in den ersten Monaten zunächst zu einem Rückgang von Zufriedenheit und Vitalität. Als Grund hierfür wird genannt, dass ein neuer Arbeitsplatz Stress auslöst, da Abläufe sowie Strukturen noch nicht bekannt sowie Beziehungen zu KollegInnen noch nicht vorhanden sind.
In diese Themen fließt nach einem Jobwechsel viel Energie, was wiederum negative Auswirkungen auf die Work-Life-Balance haben kann. Laut Studie steigt die Zufriedenheit neuer ArbeitnehmerInnen nach einem Jahr wieder an. Eine höhere Beanspruchung der Bereiche Vitalität und Work-Life-Balance ist hingegen noch deutlich länger spürbar und nimmt erst nach knapp fünf Jahren wieder ab Die Studie hat außerdem belegt, dass Unzufriedenheit sowie Work-Life-Konflikte zu einer höheren Jobwechsel-Bereitschaft führen.
Aufmerksam geworden bin ich auf die Studie durch Adam Grant. Er ist nicht nur mehrfacher Autor mit Auszeichnung zum Nummer 1 Bestseller durch die New York Times sondern auch Professor für Organisationspsychologie.
Konkret schreibt er: “Before you quit your job, it’s worth exploring ways to improve your job. Data: when people leave for a new job, satisfaction and energy drop for over a year. Belonging dips, work-family conflict climbs. The grass often looks greener from afar, but transitions can take a toll.”
Übersetzt ins Deutsche bedeutet es:
„Bevor Sie Ihren Job kündigen, sollten Sie sich überlegen, wie Sie Ihren Arbeitsplatz verbessern können. Daten: Wenn Menschen einen neuen Job annehmen, sinken Zufriedenheit und Energie für mehr als ein Jahr. Die Zugehörigkeit sinkt, der Konflikt zwischen Arbeit und Familie nimmt zu. Aus der Ferne sieht das Gras oft grüner aus, aber Übergänge können ihren Tribut fordern.“
Was ich dir zusammenfassend zum Fehler meiner Kündigung mitgeben möchte
Sollte also meine persönliche Erfahrung nicht ausreichen dich dazu zu bewegen zuerst alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Arbeitssituation auszuschöpfen, so könnte vielleicht die o.g. Studie dich dazu bewegen.
Ich bitte dich, mich an dieser Stelle nicht falsch zu verstehen: Wenn du dich in einem für dich toxischen Arbeitsumfeld befindest, bspw. wegen Mobbings oder zu starker psychischer und physischer Belastung, dann erscheint ein Arbeitsplatzwechsel sinnvoll.
In meinem Fall war es so, dass ich unter den Work-Life-Konflikten sehr gelitten habe und ich auf der anderen Seite einen einfachen Klinikwechsel erwartet habe, da ich aus dem neuen Team fast alle Mitglieder bereits kannte und wusste, dass es für mich eine enorme körperliche Entlastung sein wird, weniger und kürzere Dienste zu machen und dabei mehr Zeit für mein (Sozial-) Leben zu haben.
Dennoch war es im ersten halben Jahr in der neuen Klinik so, dass ich erst die Einarbeitung durchlaufen musste und mir in der Zeit mein Standing erarbeitet habe. Pflege und Hebammen habe ich auch neu kennengelernt – sie sind ja auch ein wichtiger Teil des Teams.
All diese Faktoren, also die Einarbeitung, die neuen Gesichter und die neuen Inhalte, ggf. ein neuer Wohnort, und alles was damit kommt, beanspruchen Energie und Zeit. Das sollte dir vor einer Kündigung immer bewusst sein. Damit möchte ich dir natürlich keine Angst machen. Herausforderungen und das bewusste Heraustreten aus deiner Komfortzone können beflügelnd sein und deine Motivation ordentlich steigern – so war es auch bei mir!
Mein Wunsch mit diesem Beitrag ist es, dafür zu sensibilisieren, dass wenn Unzufriedenheit auf der Arbeit aufkommt und wir der Meinung sind, woanders scheint die Sonne heller, dass wir nicht sofort eine Kündigung formulieren.
Sondern, dass wir stattdessen mit unseren Problemen die nächst mögliche verantwortliche Person ansprechen. Denn nur wenn wir unsere Situation offen darlegen, kann etwas verändert werden. Und genau dann ist der richtige Moment ein Gespräch zu führen und in eigenen Worten zu sagen “Chef, mir macht es aktuell keinen Spaß zur Arbeit zu kommen.”
Falls du davor viel Respekt oder vielleicht sogar Angst hast, dann nutze die Möglichkeit die Beiträge zu den Themen “Kritik aussprechen” und “Loben” zu lesen oder zu hören. Kritik und Lob gehen Hand in Hand und machen es dir möglich, deine Unzufriedenheit sortiert zu äußern.
„Manchmal ist das Gras auf der anderen Seite grüner, weil du vergisst, deine Seite zu gießen.“
Was hälst du von der Idee? Was kommt in dir hoch, wenn du dich mit diesem Thema beschäftigst?
Ich bin gespannt zu hören, was du bei deiner Kündigung bereits gelernt hast und ob du mir zustimmst oder nicht. Deshalb schreib mir gerne eine Nachricht an nicole@arztsein.com oder komm mit mir auf Instagram in Kontakt (@ArztSein).
Solltest du dich bereits für einen Klinikwechsel entschieden haben, dann möchte ich dich noch auf meinen tollen und kostenlosen Fragenkatalog als eBook zum Klinikwechsel hinweisen. Hier findest du mit System geordnete und nach Relevanz sortierte Fragen, die dir dabei helfen sollen eine neue Klinik zu finden. Viel Freude damit! 🙂
Bis ganz bald, deine Nicole.